Wenn ich an die Adventszeit aus meiner Kindheit denke, fällt mir als Erstes eins ein: Wärme.
Nicht die Art von Wärme, die aus der Heizung kommt, sondern die, die man spürt, wenn man mit roten Wangen vom Schneespaziergang heimkommt, mit Mama Plätzchen backt oder mit den Eltern die Dekoration aufstellt, den Baum schmückt und aus dem CD Player die klassischen Lider spielen von „Leise rieselt der Schnee“ und „Kling Glöckchen, klingelingeling“.
Weihnachten bedeutete damals Warten.
Warten auf den Weihnachtsmann. Warten auf Heilig Abend und während wir warteten, bastelten wir.
Wir bastelten aus Orangen und Nelken einen Raumduft, aus Wallnussschalen kleine Figuren, aus Papier Sterne für Fenster oder für Teelichter als Untersetzer, wir malten Weihnachtsmalbücher aus, bastelten Girlanden und zeichneten, klebten Wunschzettel und schnitten Sachen aus Katalogen aus. Die Hände klebrig vom Kleber, bunt von Filzstiften und dazu die Lichter an den Fenstern, die man überall sehen konnte.
Der Adventskalender war einfach. 24 kleine Türchen mit Schokolade, manchmal mit Bildchen dahinter. Und das war genug.
Früher war ein Adventskalender etwas Kleines.
24 Türen, 24 Momente zum Innehalten. Ein Stück Schokolade, ein bisschen Vorfreude.
Kein Hype, kein Hashtag, keine 300 €. Nur das Gefühl, dass Weihnachten näher rückt.
Heute ist das schon lange nicht mehr ausreichend.
Das Warten haben wir verlernt.
Heute öffnet man 24 Türchen aber nicht mehr aus Vorfreude. Es ist die Zeit des großen Unboxings geworden mit „exklusiven“ Sachen, die doch nur wieder Standard sind, aber als Besonders verkauft werden.
Schmuck, Parfum, Bücher, Merch, Make-up, Figuren, Candle-Sets und das Ganze für 70 bis 400 €. Preise, die normal geworden sind.
Viele davon sind längst kein Adventskalender mehr, sondern vorgezogene Weihnachtsgeschenke.
Jedes Jahr werden sie teurer und luxuriöser.
Da gibt’s Swarovski-Kalender für über 1200 €, Beauty-Kalender mit Produkten (die man oft nie benutzt, weil Farbe nicht passt oder man die Produkte nie nutzt), oder den Merch Kalender, der nach einmaligem Auspacken im Regal verstaubt.
Bei den Buchadventskalender gibt es dann Versionen mit und ohne Bücher. Dazwischen dann Merch, den ich nicht brauche, der aus Restposten besteht oder mit Sachen, die ich niemals nutzen würde.
Ich gestehe, dass ich zu denen gehöre, die gerne Unboxings schaut von Adventskalender. Jedes Jahr freue ich mich drauf, um zu schauen, lohnen sie sich? Würden sie mir Freude machen? Aber dieses Jahr bin ich einfach nur noch genervt.
Genervt von dem: „Es kostet X Euro, aber da kann man mehr reinpacken“ oder „Diese kleinen Lindor Kugeln sind ja viel zu klein“.
Was erwartest du?
Was erwartest du von einem Adventskalender?
24 Geschenke?
Dass jeder Kalender auf dich zugeschnitten ist und nur das beinhaltet, was du brauchst?
Oder willst du damit einen Shop kennen lernen und die Qualität der Produkte?
Willst du damit jemanden unterstützen?
Oder willst du Weihnachten wirklich fühlen?
Vielleicht liegt genau darin das Problem: Wir erwarten zu viel.
Dieses tägliche Auspacken ist so sehr romantisiert, dass der eigentliche Sinn verloren geht. Statt Besinnlichkeit gibt’s 24 Mini-Weihnachtsgeschenke auf einmal; hübsch verpackt und mit ordentlich Werbewert.
Gerade bei Buch-Adventskalendern fällt es mir auf: Alle freuen sich über den „Überraschungseffekt“, aber die Bücher sind oft einfach nicht mein Geschmack und der Merch für mich nicht brauchbar.
Das Ganze ist nett, ja. Aber muss ich dafür dreistellige Beträge zahlen, nur um das Gefühl zu haben, dazuzugehören?
Ich vermisse die Zeit, in der Advent nicht „Unboxing Season“ bedeutete, sondern Warten, Kerzenschein, Tee, Geschichten und ein bisschen Magie im Alltag.
Vielleicht ist das altmodisch und der Zauber ist mit dem Erwachsenwerden verloren gegangen, aber ich glaube, ein echter Adventskalender braucht kein XXL Karton, der so lang ist wie mein Oberkörper oder Doppelseiten hat, oder zig Produkte, sondern einfach den Gedanken an Weihnachten.
Lieber ein handgeschriebener Zettel, ein selbstgebackener Keks, etwas selbstgemachtes oder einfach nur ein kleines Stück Schokolade, um den Tag Süß zu starten. Etwas, das zeigt, dass man an den anderen denkt, wenn wir ihn selbst machen. Nicht etwas, das man am 25. Dezember in der Ecke vergisst.
Wann ein teurer Adventskalender Sinn ergibt – und wann nicht
Nicht jeder Adventskalender, der über 100 € kostet, ist gleich Konsumwahn.
Manche tragen tatsächlich einen Gedanken in sich, der über das „Jeden-Tag-etwas-Auspacken“ hinausgeht.
Natürlich gibt es auch schöne Ideen:
Ein Honig-Kalender mit verschiedenen Sorten – liebevoll gemacht, regional, nachhaltig. Ideal, um die Produkte kennen zu lernen und sich durchzuprobieren.
Oder Kalender, der mit Startups und Kleinkünstler zusammenarbeitet, bei denen der Erlös an soziale Projekte geht, z. B. an Organisationen, die alten Menschen, Schwerbehinderteneinrichtungen oder Tieren helfen.
Aber das sind Ausnahmen.
Der Großteil ist Teil eines Systems, das uns suggeriert: Mehr ist gleich besser.
Da geht es längst nicht mehr um Weihnachten, sondern um Reizüberflutung in schönem Papier.
Diese Kalender sind nicht wertvoll, weil sie Qualität bieten, sondern weil sie gelernt haben, „Wert“ zu inszenieren.
Der Preis wird zum Prestige, nicht zum Ausdruck von Wertschätzung.
Wir leben in einer Zeit, in der alles inszeniert wird, sogar Besinnlichkeit.
Und genau deshalb ist es wichtig, hinzusehen:
Kaufe ich, weil ich Freude verschenken will oder weil ich dazugehören will?
Zahle ich für Qualität oder für das Gefühl, „etwas Besonderes“ zu haben?
Ein teurer Adventskalender kann eine wundervolle Idee sein, wenn er Sinn und Liebe hat, vielleicht von Menschen, die uns lieben.
Aber sobald der Preis nur noch glänzt, während der Inhalt leer ist, verliert er das, was Weihnachten ausmacht: Wärme. Nähe. Sinn.
Nicht der Preis entscheidet, sondern das, wofür wir bezahlen.
Für ehrliche Arbeit, Nachhaltigkeit und soziale Projekte?
Oder für Marketing, Markenimage und kurzlebige Begeisterung?
Und das Adventsgefühl, dieses leise, warme Warten, das kindliche „Wie viele Türchen sind noch übrig?“, ist dabei verloren gegangen. Das hat alles nichts mehr mit Weihnachten zu tun, nur weil ein winterliches und/oder ein Weihnachtliches Motiv drauf gedruckt ist.
Ich ertappe mich jedes Jahr wieder dabei, wie ich kurz denke: „Vielleicht gönne ich mir auch einen.“
Und dann denke ich: Nein.
Ich brauche keinen Adventskalender für 200 €, um die Vorweihnachtszeit zu genießen.
Ich will keine Überraschungen, die mich nicht wirklich berühren, und schon gar keine Bücher, die meinen Geschmack nicht treffen, nur weil sie in einem Bookie-Adventskalender sind.
Ich will Kerzenlicht. Spaziergänge durch den Schnee, Frost, Eis, etwas mit Liebe gemacht.
Ich will Tee und den Geruch von Vanillekipferln in der Küche.
Ich will basteln, lachen, vielleicht ein altes Märchen lesen und mich wieder daran erinnern, dass Weihnachten kein Wettbewerb ist.
Vielleicht ist das altmodisch.
Aber für mich liegt die Magie des Advents nicht in der Anzahl der Pakete, sondern wenn Weihnachtsmusik läuft, ich mit meinem Freund in der Küche stehe und wir gemeinsam Plätzchen backen, lachen, uns necken, ich ihm mit der bemehlten Hand auf den Hintern klapsen kann und ein Handabdruck zurück bleibt, wie dann gemeinsam auf dem Sofa sitzen, Kekse naschen können, Filme gucken und kuscheln. Oder wenn ich am Schreibtisch sitze, neben mir der Tee auf dem Teewärmer steht und daneben eine frisch gepellte Orange, die dann duftet. Und dann die Schale leicht ausdrücken kann gegen die Kerze, so dass die Öle in die Kerzenflamme gehen der Raum noch mehr danach duftet.
Advent bedeutet Ankunft.
Nicht vom nächsten Paket zum Nächsten, sondern vom Licht, von der Ruhe, von dem Gefühl, dass Zeit plötzlich langsamer vergeht. Freude bereiten und das Besondere und die Einzigartigkeit der Adventszeit zu verdeutlichen. Und natürlich die Vorfreude auf Heiligabend zu steigern bei Groß und Klein.
Vielleicht sollten wir das wieder lernen, Türchen für Türchen.


Liebe Bücherfuchs,
AntwortenLöschenwahre Worte, die Du da aussprichst. Genauso sehe ich es auch. Nur noch Kosnumrausch, wo das wahre Weihnachten / Adventszeits untergeht. Ich habe einen Adventskalender von Lindt für 10 Euro. Da sind allerdings auch zwei Kauflandgutscheine mit drin für je 2,50. Also hat der eigentlich ja nur 5 Euro gekostet. Den gönne ich mir jedes Jahr. Auch ich vermisse das alte Weihnachten und bin da auch ganz altmodisch.
Liebe Grüße
Anja
Hallo Anja,
Löschenich ballere mir im Moment ganz viele Dokus rein, wie Weihnachten früher war. Das ist so schön. Minimalismus, Dankbarkeit und heute? Nix unter 150 €. Damals der Wunschzettel: Eine Puppe, eine neue Federmappe....heute bitte das neue Apple iPhone....
Ganz ehrlich 10 € ist völlig ok. Du hast Gutschein drin, du hast Schokolade drin. Alles supi. Ich habe zu meinem Freund gesagt, ich würde gerne den von Ikea haben. Da ist auch Schoki drin und Gutscheine oder den von der Imkerei, um mich mal durch die Sorten zu probieren, ob einige Sorten wirklich lecker sind und auch zur Weihnachtszeit passen. Letzteres kostet zwar 70 €, aber du wirst nicht günstiger, wenn du dir auf 'nem Weihnachtsmarkt was selbst abfüllst mit ein paar Sorten. Vor allem wird ein Familienbetrieb unterstützt, ich kann die Produkte kennen lernen, ich kann es zum kochen, backen oder Tees benutzen oder aufs Brot...alles fein...Aber Schmuck Adventskalender? Merch Kalender? Ne danke...